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Ingrid Remke im Ziel des 30. real,- BERLIN-MARATHON 2003

Wir veröffentlichten am 9. September 2003 einen Bericht über

Ingrid Remke, Marathonläuferin und Teilnehmerin des 29. real,-

BERLIN-MARATHON am 29. September 2002. Vierzehn Tage später wurde sie

damals das Opfer des Bombenanschlags von Bali - und überlebte mit schweren

Verletzungen glücklicherweise. Sie rief die "Lauffamilie" zu

Spenden für Balinesische und Indonesische Bombenopfer auf. Sie schrieb

über ihre erschütternde Leidensgeschichte und wie Sie beispielhaft

ihren Überlebenskampf gewann - und durch das Laufen neuen Lebensmut fand.

Ihr großes Ziel war nach ihrem Überlebenskampf auch am 30. real,-

BERLIN-MARATHON teilzunehmen - das hat sie eindrucksvoll geschafft. Wir

gratulieren Ihr zu dieser großartigen Leistung und hoffen, daß das

Laufen ihren Lebensmut weiterhin stärkt und motiviert.

Horst Milde

Eineinhalb Wochen vor dem BERLIN-marathon, am Donnerstag, den 19.09.03 lief

ich die letzten 20 km in einer Zeit von 1:56:00h locker durch und war

zuversichtlich, daß ich trotz Unfall und der damit verbundenen

Schwierigkeiten im Ziel ankommen werde. Ein kleines ehrgeiziges Teufelchen

meldete sich außerdem immer mal wieder, ob es nicht möglich sei, die

persönliche Bestzeit von 4:03:26h zu unterbieten und der gesamten

Geschichte einen sensationellen Stempel aufzudrücken. Jede(r)

Läufer(in) spielt mit solchen Gedanken, Wünschen und Träumen, so

natürlich auch ich, obwohl mir klar war, daß ich mit einem so hoch

gesteckten Ziel den gesamten Marathonlauf gefährden kann.

Aber es kam ja alles ganz anders... ich wurde krank. Die berühmte

Marathongrippe überfiel mich, wie jedes Jahr, nur hatte ich es vergessen,

war zu beschäftigt, konnte auch nicht mit meiner Energie haushalten, weil

es vorher noch so viele Dinge zu erledigen gab, da ich diese Spendenaktion ins

Leben gerufen hatte, diverse Interviews gab, meine Reise zur therapeutischen

Aufarbeitung nach Bali vorbereitete, und gleichzeitig noch trainieren

sollte.

Ich

versuchte mich zu schonen, aß ganz brav alle Medikamente und Vitamine,

inhalierte Pinimenthol und ließ mich am Donnerstag vorm Marathon auf der

Messe nocheinmal von Herrn Dr. Willi Heepe untersuchen, der nach einem

positiven Bluttest sein Okay zum Lauf gab.

Der Sonntagmorgen war schneller da, als ich es erwartet hatte, ich war

aufgeregt und nervös, weil ich den Kleiderwagen mit meiner Startnummer

nicht fand, die Wege anders waren als letztes Jahr, ich keine Zeit hatte, die

neue Marathonstrecke vorher abzufahren, sprich, ich fühlte mich

unvorbereiteter als jemals zuvor.

Die Aufregung am Start, der Startschuß der fiel und die 10 Minuten,

die dennoch vergingen, bis ich endlich loslaufen konnte, all das zusammen war

fast zuviel. Aber einmal losgelaufen, gab es kein Halten mehr: Meine

Mitläuferin hatte alle Nerven aufzubringen, um mich die ersten 21km im

Zaum zu halten, weil das Teufelchen sich wieder meldete und ich viel zu schnell

loslief. Vielleicht schaff ich’s ja doch.

Nachdem wir aber die Halbmarathonstrecke durchlaufen waren, war klar,

daß mit 2:16:00h auf der Uhr keine Zeit unter vier Stunden erreicht

werden kann und ich konnte mich endlich ganz in Ruhe und mit Freude auf das

Laufen konzentrieren. Ich winkte den Zuschauern zurück, nahm die

Glückwünsche und anspornenden Rufe entgegen und war mir sicher, mit

all meiner Energie schaffe ich es bis zur Ziellinie.

Am Ku’damm wurde es heiß, was für mich doppelte Anstrengung

bedeutete, weil meine verbrannte transplantierte Haut nicht schwitzen kann und

mein Körper viel arbeiten mußte, um den Wärmehaushalt zu

regulieren. Eine Blase meldete sich unter meinem linken Ballen, der Socken war

verrutscht und das Anhalten zum Trinken und wieder Loslaufen wurde immer

anstrengender. Der Potsdamer Platz näherte sich und es tat gut zu wissen,

es sind nur noch 5km.

Drei Kilometer vor dem Ziel fing ich an darüber nachzudenken, was ich

da eigentlich gerade tue, was ich hinter mir hab, wie es kam, daß ich

wirklich wieder durch die Straßen Berlins lief, angefeuert von einem

wieder einmal zuverlässigem Publikum, und ich merkte, daß es mir den

Hals zuschnürte und ich keine Luft mehr bekam, mit den Tränen

kämpfte, weil ich es plötzlich selbst so unglaublich fand. Ich

konzentrierte mich darauf, an etwas ganz Banales zu denken: Auf meinen Atem,

auf den Klang meiner Schritte, ich spürte meine Schmerzen und dachte

daran, daß es gleich vorbei ist.

Wir bogen auf die Zielgerade ein und ich hatte wirklich schwer damit zu

kämpfen, nicht zu weinen. Daß ich immer noch lief, spürte ich

gar nicht mehr. Das Brandenburger Tor war zu sehen, meine Familie jubelte mir

zu und ich wußte: Ich hab’s geschafft. Ich habe es wirklich

gemacht; ich bin den Marathon gelaufen. Am Ziel angekommen liefen die

Tränen, meine Mitläuferin lag mir in den Armen und ich glaube es war

der bedeutenste und bewegenste Marathon, den ich je gelaufen bin.

Ich hoffe damit ein Ansporn zu sein, für alle diejenigen, die

ähnlich Schreckliches erlebt haben und mit den Gedanken spielen, sich

aufzugeben oder gehen zu lassen. Es lohnt sich und laufen macht immernoch den

Kopf frei!

Für alle diejenigen, die gespendet haben, ein ganz großes

Dankeschön. Das Geld wird diese Woche an den International Medical Corps

überwiesen, eine nicht-profit-orientierte Hilfsorganisation, die ich auf

meiner Reise nach Bali als die Hilfsorganisation ausfindig gemacht habe, die

wirklich vor Ort für die Opfer arbeitet. Sei es nun direkte Opfer,

freiwillige Helfer, Witwen, Waisenkinder, traumatisierte Augenzeugen. Ingrid

Remke

Spendenkonto:

Kontonummer: 35 40 10 60 56 - Bankleitzahl: 100 500 00 - Berliner Sparkasse

Verwendungszweck: "Hilfe für Balinesische und Indonesische

Bombenopfer

 

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