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MY JOURNEY - "Das ist unser Moment"

Sonntagmorgen, 5 Uhr. Das kleine Dorf, in dem ich lebe, schläft noch tief und fest. Nur ich bin schon hellwach und schnüre gerade meine Turnschuhe. Warum ich um 5 Uhr morgens an einem Sonntag gerade meine Schuhe anziehe? Ganz einfach: Heute findet der BMW BERLIN-MARATHON statt. Das darf ich natürlich nicht verpassen und bin wie jedes Jahr gemeinsam mit einer Freundin als Helferin dabei. Die Helferjacke aus dem letzten Jahr werfe ich mir deshalb auch gleich über und lasse die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Ich drücke die Playtaste von meinem Handy und schiebe mir die Kopfhörer über die Ohren. Der hier übliche Nebel drückt sich auf die Wiesen und Felder um mich herum. Das stört mich aber herzlich wenig, genauso wie den halbschlafenden Busfahrer, dem ich breit grinsend und mit einem euphorischen „Morgen“ mein Ticket vor die Nase halte. Auf dem Weg in die Stadt wächst meine Spannung mit der Masse der Laufschuhe unter den Leuten.

„Nächste Station: Berlin Hauptbahnhof“ tönt aus den Lautsprechern. Ich springe auf und mit mir fast der gesamte Zug. Die Türen öffnen sich zischend und ich werde rausgeschoben in den Strom der Menschen, die heute alle dasselbe Ziel haben. Raus aus dem Gebäude und über die Brücke. Vor dem Eingang für Mitwirkende empfängt mich meine Freundin und gemeinsam machen wir uns, nachdem ich mich angemeldet habe, auf den Weg zu den Essensausgaben. Dann geht es los. Kisten stapeln, Kisten auspacken, mehr Kisten stapeln und noch mehr auspacken.

Die ersten Läufer sind inzwischen schon gestartet und in der Pause schauen wir uns gemeinsam mit Masseuren, anderen Helfern und Polizisten die Liveübertragung an. Die Stimmung ist genial und wir werden mitgezogen in die Begeisterung der vielen Menschen, die ihren Laufhelden vom Straßenrand aus zujubeln. Besonders das Finale ist packend und wir alle schauen auf die Topläufer. Der Sieger durchquert das Brandenburger Tor und steuert auf die Ziellinie zu. Die letzten Sekunden. Die Spannung zerreißt uns fast. Dann hört man den Jubel von überall. Wir springen auf und feiern den Helden des Tages. Allerdings bleibt uns kaum Zeit zum Freuen, denn bald darauf treffen die ersten Läufer ein.

Ich schnappe mir ein Lunchpacket und begrüße einige der Ersten. Lange geht das allerdings nicht. Immer mehr Menschen kommen schweißgebadet auf uns zu. Langsam wird aus dem einzeln Reichen ein Hinhalten und bald schon kann man kaum mit den Massen mithalten. „Thank you“, „Gracias“, „Merci“ tönt es mir entgegen und meine „You‘re welcome“ Phrase gilt gleichzeitig für mehrere Läufer. Keine Zeit zum Ausruhen. Aber auch wenn sich meine Arme langsam wie Stative anfühlen ist das Gefühl der Wahnsinn. Wir sind mittendrin. Sehen in die glücklichen und kaputten Gesichter, erleben Zusammenbrüche und Emotionen so hautnah, dass ich heute noch eine Gänsehaut bekomme. Das ist unser Moment. Und wir sind voll dabei. Mein breites Grinsen ist nicht allein. Alle Helfer sind jetzt voll in ihrem Element. Das System fließt und wir sind ein eingespieltes Team. Menschen aus allen Ländern der Welt, Hotdog- und Bienenkostüme, erschöpfte Männer und energiegeladene Frauen, Supersportler und Premierenläuferinnen – ihnen gehört die Stadt.

Irgendwann lässt der Ansturm nach. Die letzten Läufer treffen ein und dann ist es so schnell vorbei, wie es angefangen hat. Jetzt geht es ans Kisten einklappen und aufräumen. Wir alle fühlen uns, als wären wir eben auch gelaufen. Auf eine gewisse Art haben wir also unseren eigenen Marathon gehabt.

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