Die Erinnerungen von Sabrina Mockenhaupt an Barakaldo waren
keineswegs ermutigend, wie überhaupt ihre bisherigen Auftritte bei der
European 10.000 m-Challenge. Davon möchte Sabrina Mockenhaupt nach
ihrem überzeugenden Sieg in persönlicher Bestzeit von 31:21,38 Minuten
nun auch nichts mehr wissen. „Ich kann es nicht verleugnen, im Vorfeld
sind mir schon die Erinnerungen an 2001 gekommen, als ich 700 Meter vor
dem Ziel ausgestiegen war. Aber inzwischen ist doch viel passiert, habe
mich kontinuierlich von Jahr zu Jahr gesteigert und bin sehr gut
vorbereitet in das Rennen gegangen. Ich denke, dass ich inzwischen
bewiesen habe, dass ich alles andere als eine Gauklerin bin!“
Mockenhaupt nahm das Heft in die Hand
Die Art und Weise, wie die Siegerländerin in Barakaldo auftrat, das
zeugt von einer ordentlichen Portion Reife und Selbstsicherheit. Schon
nach 3000 m und einer Zwischenzeit von 9:27,07 Minuten übernahm Sabrina
Mockenhaupt das Heft in die Hand, nachdem bislang die Tansanierin
Ruhama Shauri die kleine Spitzengruppe auf die vereinbarte Pace in
Richtung WM-Norm von 31:40 angeschleppt hatte. „Das war ihr schon etwas
zu langsam“ gestand Bundestrainer Detlef Uhlemann in der Rennanalyse,
„deshalb ist sie nach vorne gegangen. Sie hat das Rennen konzentriert
und souverän Runde für Runde gestaltet. Als ich Mocki signalisierte,
dass es in Richtung Bestzeit geht, dann hat sie auch noch eine sehr
starke Schlussphase hingelegt!“ Spätestens nach 5000 m (15:40,79) hatte
die 24jährige auch ihre hartnäckigen Verfolger, die frühere 10 000
m-Olympiasiegerin Fernanda Ribeiro und die inzwischen für Frankreich
laufende gebürtige Kenianerin und Vorjahressiegerin Margaret Maury
abgeschüttelt und musste die zweiten zwölfeinhalb Runden alleine an der
Spitze gegen den doch störenden Wind bestreiten.
Erster deutscher Frauensieg
Mit einem blitzsauberen Schlusskilometer von 3:04,41 sorgte Sabrina
Mockenhaupt für den ersten deutschen Frauensieg in der
Challenge-Geschichte. Erst vierzig Sekunden später wurde der Kampf um
Rang zwei entschieden: Mit einem Spurt rettete Fernanda Ribeiro in
32:03,22 Rang zwei vor der aufkommenden Russin Viktoryia Klimina
(32:04,57) und Margaret Maury, die merklich abbaute und letztlich mit
32:23,87 nur Vierte wurde.
Führt die Weltbestenliste an
Mit 31:21,38 Minuten ist Sabrina Mockenhaupt nach Barakaldo nicht nur
nunmehr die drittbeste deutsche Langstrecklerin, sondern führt derzeit
auch die Weltbestenliste der jungen WM-Saison 2005 an. „Ich hatte nach
meinem Abschlusstraining ein gutes Gefühl und sogar noch meinen Eltern
vor dem Abflug gesagt, dass ich das Rennen in Barakaldo gewinnen
würde“, gestand sie ihre Absichten für die European 10 000 m-Challenge
ein. „Damit ist doch die Peinlichkeit von 2001 vergessen. Oder?“ fragte
Mocki eher zur Bestätigung ihrer starken Vorstellung am Samstagabend im
Baskenland. Und blickt bereits mit Zuversicht in die weitere Saison.
„Nach Barakaldo weiss ich, da wird noch einiges kommen! Mit dieser
Leistung weiss ich, dass ich mich künftig noch weiter nach vorne
orientieren kann. Es kommt nur darauf an, welche Ansprüche man
formuliert!“ „Mocki hat weiss Gott keine Namenlose geschlagen, sondern
mit Ribeiro und Maury internationale Klasseläuferinnen“, lobt Uhlemann
die Siegerländerin.
Demonstration der spanischen Männer
Der 10 000 m-Lauf der Männer wurde zu einer Demonstration der
Leistungsfähigkeit der Spanier. Juan Carlos de la Ossa, der
Cross-EM-Zweite von Heringsdorf, wurde bis zur Sechs-Kilometer-Marke
durch den Tansanier Cuthbert Nyasango geführt, dann war auch er alleine
auf sich gestellt. Mit 27:27,80 Minuten stellte der Spanier wie zuvor
schon Sabrina Mockenhaupt eine Saison-Weltbestmarke auf und erzielte
zudem eine Endzeit, die sich bestens einzufügen lässt in die Auftritte
von Dieter Baumann (1997, 2002), Fabian Roncero (1998), Alberto Garcia
(2000) und José Manuel Martinez (2004). De la Ossas Landsleute Carlos
Castillejo (28:06,88) und Ricardo Serrano (28:19,20) sicherten Spanien
den fünften Teamerfolg vor Portugal und Deutschland, für das erstmals
nach langer Durststrecke wieder einmal mit André Pollmächer, Stefan
Koch und Oliver Dietz ein komplettes Team am Start war.
Deutsche Youngster im Männerwettbewerb
Und die Leistungen der beiden Junioren sind überaus respektabel,
während Oliver Dietz immer in der Folge seiner Erkrankung noch längst
nicht wieder so stark ist wie er sich im Vorjahr bei dem Gewinn der
5000 m- und 10 000 m-Meistertitel präsentierte. Auch wenn die
Youngsters im Männer-Wettbewerb anfänglich Orientierungsprobleme
hatten, sie lösten ihre Aufgabe mit der Zielstellung, die Norm von
29:35 für die U 23-EM in Erfurt zu unterbieten, mit Bravour. „Das sind
doch Klassezeiten“, freute sich Bundestrainer Uhlemann diebisch. Mit
29:10,54 und 29:19,01 übererfüllten André Pollmächer und Stefan Koch
die Vorgaben, die die beiden Junioren auf die Ränge 12 und 14 führten.
„Unsere Junioren haben sich bis 9000 prächtig abgewechselt und
Leistungen abgeliefert, die sogar unter der letztjährigen
DLV-Jahresbestzeit liegen!“ Mit einem zum „Punktelieferanten“
degradierten Oliver Dietz (Achtzehnter in 30:03,27) wurden die
DLV-Vertreter hinter Spanien und Portugal letztlich Dritter.
Vor
allem André Pollmächer zeigte sich völlig überrascht über diesen
Leistungssprung. „Ich habe mit einer Zeit im Normbereich gerechnet,
vielleicht einige Sekunden darunter. Aber das kommt völlig unerwartet!“
Trotz der starken Vorstellung in Barakaldo möchte der 22jährige
Polizist beim Bundesgrenzschutz zusammen mit seinem Trainer Bernd
Diesner zunächst noch der 5000 m-Strecke den Vorzug geben. „Die 10 000
m sind für Erfurt nun definitiv gesetzt“, erklärt Pollmächer, nach
seinem ersten durchgelaufenen 10 000 m-Rennen, nachdem sein erster
Versuch im Dantestadion in München vorzeitig endete.
Wilfried Raatz
Ergebnisse unter www.european-athletics.org