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2. IOC Weltkongreß "Frauen und Sport"

Vom 6.-8. März 2000 hatte das Internationale Olympische Komitee zum 2.

Weltkongreß „Frauen und Sport“ nach Paris

eingeladen. Die Resonanz war beeindruckend: über 550 Frauen und

Männer aus allen Teilen der Welt fanden sich zur

Kongreßeröffnung

am Veranstaltungsort, dem französischen Außenministerium, ein und

mußten auf zwei Sitzungssäle verteilt werden, da der

große Tagungsraum nicht genügend Platz bot.

Die Eröffnungsreden des französischen NOK-Präsidenten, Henri

Sérandour, des IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch

und der französischen Ministerin für Jugend und Sport, Marie-George

Buffet, bildeten den Auftakt für eine lange Reihe von

Präsentationen zu den vielfältigen Themen des Sports von

Frauen.

Im Vorfeld des Kongresses hatte die IOC-Arbeitsgruppe „Frauen und

Sport“ die Preisträger 2000 für die „IOC Women and Sport

Trophy Awards“ ausgewählt.

Die Vorschläge dafür waren von den Nationalen Olympischen Komitees

und den Internationalen Sportfachverbänden

eingebracht worden: Die diesjährigen Preisträger sind:

- die FIBA, die mit der „World Trophy“ ausgezeichnet wurde

für ihr außergewöhnliches Engagement bei der

Förderung des Frauen-Basketballs und ihr erfolgreiches Bemühen um

stärkere Einbindung von Frauen in Führungspositionen;

- das Lesotho-Frauensport-Komitee (für Afrika) für seine

erfolgreichen Kampagnen beim Aufbau des Sports für Mädchen und

Frauen;

- die Women’s Sport Foundation (für Nord- und Südamerika),

die in den USA seit ihrer Gründung 1974 mit großem Erfolg

Fördermaßnahmen

für Mädchen und Frauen im Sport entwickelt und implementiert hat;

- die chinesische Frauen-Fußballnationalmannschaft (für Asien),

die beim erstmalig in Atlanta 1996 stattgefundenen

Olympischen Frauenfußballturnier die Silbermedaille gewann, ebenso wie

bei der Fußballweltmeisterschaft der Frauen 1999 in den USA;

- die Italienerin Nucci Novi Ceppellini (für Europa), die als aktive

Seglerin und Vizepräsidentin des

Internationalen Seglerverbandes eine herausragende Rolle bei der Entwicklung

des Frauensports einnimmt und

- die „Hillary Commission for Sport, Fitness and Leisure“ aus

Neuseeland (für Ozeanien), die seit 1988

zahlreiche Initiativen zur aktiven Beteiligung von Mädchen und Frauen in

allen Bereichen des Sports entwickelt hat.

Das erste Schwerpunktthema des Kongresses befaßte sich mit der nunmehr

hundertjährigen Geschichte der Teilnahme von

Frauen an den Olympischen Spielen. Die IOC-Vizepräsidentin, Anita

DeFrantz, konnte in ihrem Einleitungsreferat auf eine

durchaus als erfolgreich einzuschätzende Entwicklung verweisen, sie machte

aber auch deutlich, daß für die Realisierung

einer gleichberechtigten Teilnahme von Frauen in Gesellschaft und Sport noch

große Anstrengungen unternommen

werden müssen. Dies war der vorherrschende Tenor in allen Beiträgen

des Kongresses, wobei hinsichtlich der

geeigneten Maßnahmen durchaus kontroverse Auffassungen zum Ausdruck

gebracht wurden. Unterschiedliche Positionen wurden vor allem bei

der Frage von Quotenregelungen deutlich. Volle Zustimmung fand die Vorgabe des

IOC, daß bis zum Ende des Jahres 2000

mindestens 10 % und bis 2005 mindestens 20 % der Positionen in den Nationalen

Olympischen Komitees und in den

internationalen Sportfachverbänden von Frauen besetzt sein sollen. Der

zweite Themenkomplex befaßte sich mit

den sozialen und erzieherischen Funktionen des Sports; unter der Leitung der

Präsidentin des Weltrates für

Sportwissenschaft und Leibes-/Körpererziehung und Repräsentantin des

NOK für Deutschland,

Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper, diskutierten die Referentinnen (Marie Lourdes

Appadoo aus Mauritius, Elizabeth Darlison

aus Australien und Inas Mazhar, Sportjournalistin aus Ägypten) und

Teilnehmerinnnen sehr lebhaft die Notwendigkeit

veränderter gesellschaftlicher Bedingungen, um Mädchen und Frauen

mehr Möglichkeiten einer aktiven Teilnahme

am Sport und die Übernahme von Leitungsfunktionen zu

ermöglichen.

Eindrucksvoll wurden die vielfältigen Barrieren geschildert, die es noch

zu überwinden gilt. Viele der anwesenden

Frauen berichteten aber auch von ihren eigenen Erfolgsgeschichten und zeigten,

daß sie sich ihrer Vorbildfunktion

sehr bewußt sind. In diesem Kontext war der Vortrag der

Staatssekretärin für Justiz, Fatou Bensouda aus Gambia,

bemerkenswert, weil sie die gesellschaftliche Rolle der Frauen in afrikanischen

Ländern präzise analysierte

und richtungsweisende Vorschläge für Entwicklungsmöglichkeiten

vorlegte. Ergänzt wurden diese Ausführungen zum

Themenkomplex „Menschliche Entwicklung und Friedensförderung“

durch Vorträge von Kaisa Savolainen von der UNESCO,

William Angel, dem Leiter der Jugendabteilung der Vereinten Nationen, und Prof.

Dr. Kari Fasting, aus Norwegen,

die sich mit Gewalt und Belästigung im Sport auseinandersetzte. Konsens

zeigte sich in der anschließenden Diskussion,

daß gerade diese Problematik stärkere Aufmerksamkeit als bisher

verdient. Dazu müssen weitere Untersuchungen

durchgeführt sowie Präventionsmaßnahmen entwickelt werden. Zum

Thema Gesundheit referierte die einzige

Frau in der Medizinischen Kommission des IOC, Dr. Patricia Sangenis; Prof. Dr.

Margaret Talbot plädierte für

den Erhalt und den Ausbau von Schulsport in allen Teilen der Welt und ging

detailliert auf die Ergebnisse des Berliner

Weltgipfels zum Schulsport ein, die bereits Anfang Dezember 1999 in die

Deklaration von Punta del Este, der

3. Internationalen Sport- und Schulsport-Ministerkonferenz (MINEPS III),

eingegangen waren und deren Umsetzung

jetzt weltweit in Angriff zu nehmen ist. Mit einer besonderen Feierstunde wurde

am 8. März der Internationale

Frauentag begangen. Drei französische Sportlerinnen, die Leichtathletin

Colette Besson, Goldmedaillengewinnerin

1968 in Mexico City im 400-m-Lauf, die Skiläuferin Isabelle Mir,

Silbermedaillengewinnerin 1968 in

Grenoble und die Rollstuhlsportlerin Beatrice Hess, mehrfache

Paralympics-Siegerin im Schwimmen,

gaben mit ihren Berichten ein beeindruckendes Beispiel für Karrieren von

Leistungssportlerinnen.

Zum anschließenden Fototermin wurden alle anwesenden

Olympiateilnehmerinnen gebeten, und die Bühne reichte kaum aus,

um den über 50 Frauen Platz zu bieten. Ein weiterer Themenkomplex

umfaßte die Weiterentwicklung internationaler

Kooperation zwischen IOC, UNESCO, Regierungen und

Nicht-Regierungsorganisationen.

Hier stießen vor allem die Vorträge der niederländischen

Staatssekretärin für Gesundheit, Wohlfahrt und

Sport, Margo Vliegenthart, und der UNESCO-Repräsentantin, Breda Pavlic,

auf großes Interesse. Abschließend galt

es in einer Resolution die neue Perspektiven für das 21. Jahrhundert

zusammen zufassen. Zentrales Anliegen

ist es, durch internationale, regionale und nationale Initiativen und

Maßnahmen, an denen sich das

IOC, die internationalen Sportfachverbände, die UNESCO, Regierungen,

Nicht-Regierungsorganisationen und

die Nationalen Olympischen Komitees beteiligen sollen, Mädchen und Frauen

in allen Bereichen des Sports die

gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Dazu sind entsprechende

Zielvorgaben zu formulieren und Aktionspläne

zu entwickeln, deren Einlösung durch „Monitoring“, d.h. genaue

Beobachtungsverfahren, überprüft

werden soll. Zwar herrschte bei vielen Teilnehmerinnen Skepsis, wie schnell

entsprechende Fördermaßnahmen zu einer

veränderten Situation führen sollen, wenn es keine Sanktionen bei

Nichteinhaltung der Vorgaben gibt.

Dennoch lassen sich die meisten Diskussionsbeiträge zusammenfassend so

interpretieren, daß eher

das „Zuckerbrot“ als die „Peitsche“ bevorzugt wird, um

das angestrebte Ziel zu erreichen; Männer und Frauen

sollten sich dafür gemeinsam einsetzen und würden gemeinsam

profitieren.

Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper