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Der Wunderläufer - Jugend trainiert für ein Wunder

Wir veröffentlichen im folgenden einen Beitrag aus TICKET, Nr. 48, der Beilage vom  DER TAGESSPIEGEL

Ralph ist ein wenig zu exzentrisch für seine Zeit. Auf der katholischen Schule in einer kanadischen Kleinstadt Mitte der fünfziger Jahre fällt der 14-jährige Halbwaise durch stete Regelverstöße auf. Rauchen auf dem Schulhof und ein öffentlicher Orgasmus im Schwimmbecken stehen in seinem umfangreichen Sündenregister. Dabei ist Ralph kein Rebell, sondern nur ein Teenager, der tut, was ein Teenager eben tun muss.

Trainiert für den renommierten Boston-Marathon 

Sein Vater ist im Krieg umgekommen, und die Mutter liegt mit Krebs im Krankenhaus. Als sie ins Koma fällt, sagen die Ärzte, nur ein Wunder könnte sie retten. Wunder? Davon hat Ralph in der Schule schon einiges gehört. Vater Hibbert berichtet über Franz von Assisi und dass man, um ein Wunder zu erwirken, nur den festen Glauben, eine reine Seele und die entsprechende Gebetspraxis haben muss. In das Geländelauf-Team der Schule strafversetzt beginnt der Junge von seinem eigenen Wunder zu träumen und trainiert für den renommierten Boston-Marathon. Wenn er - so die etwas angestrengte Skriptlogik - den Lauf gewinnt, wird Mutti als begleitendes Zweitwunder im Hospital wieder die Augen aufschlagen.

Sportfilmdramaturgie

Mit dieser Vorgabe nimmt die vorhersehbare Sportfilmdramaturgie ihren unabwendbaren Lauf: hartes Training, Rückschläge, Mutmachen und schließlich das alles entscheidende Finale mit Zeitlupenaufnahme und einer verkitschten Cover-Version von Leonard Cohens "Halleluja" aus dem Off. Dazwischen ein paar Exkurse in die skurrile Welt des katholischen Schulwesens und in die emotionalen Verwirrungen pubertierender Teenager.

"Saint  Ralph" ist ein äußerst übersichtlicher Film, der seine hoffnungsfrohe Botschaft per Einschreiben mit Rückschein verschickt. McGowans Blick auf die schrullige Moral der Fünfziger ist wie so oft mit dem sanften Retro-Schleier der Verklärung überzogen. Für die Überzeichnung ins Skurrile fehlte es offensichtlich an Mut, und im Gegensatz zu dem seelenverwandten "Billy Elliot" findet die kanadischen Produktion keine soziale Verankerung in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext.

Das größte Handicap des Filmes ist jedoch der junge Hauptdarsteller Adam Walker, der die Rolle mit überzogener Souveränität spielt, immer etwas zu altklug daherredet und besonders in den tragischeren Momenten von der Regie allein gelassen wird.

Vorhersehbares Sportdrama.

Martin Schwickert

"Saint  Ralph"

Kanada 2004, 98 Min., R: Michael McGowan, D: Adam Butcher, Campbell Scott 

In vielen Kinos