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Kenias Läufer weniger erfolgreich als zuletzt

In vier Disziplinen führen kenianische Läufer die

Jahresweltbestenlisten der Leichtathleten an. Damit haben sie einen

Saison-Spitzenreiter mehr als der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV).

Trotzdem sind die Kenianer nicht zufrieden. Denn selten haben sie eine derart

"erfolglose" Saison erlebt. Bei den Weltmeisterschaften gewannen die

erfolgsverwöhnten Läufer nur eine Goldmedaille - ein derart

"enttäuschendes" Abschneiden hatten sie zuletzt 1983 bei diesen

Titelkämpfen erlebt. Damals blieben sie ganz ohne Medaille, spielten

allerdings international auch kaum eine Rolle.

Lediglich in ihrer Spezialdisziplin, dem 3000-m-Hindernislauf, in dem sie in

diesem Jahrzehnt noch jedes große Meisterschaftsrennen gewonnen haben,

stellten sie in Sevilla mit Christopher Koskei den Weltmeister. "Trotzdem,

es ist eine Enttäuschung, dass wir nicht alle drei Medaillen über die

Hindernisse gewonnen haben - dafür sind wir hier angetreten", hatte

der zweitplatzierte Kenianer Wilson Boit Kipketer nach der WM gesagt. Der

nächstbeste Kenianer war auf Rang fünf Bernard Barmasai. Es ist jener

Barmasai, der einerseits den Golden-League-Jackpot verpasste, andererseits aber

in München Gesamt-Grand-Prix-Sieger wurde und damit für eine kleine

kenianische Genugtuung sorgte.

Haben die Kenianer, die bei den vier Weltmeisterschaften zwischen 1991 und

'97 unter anderen jeweils viermal in Folge die 5000 m und das

Hindernisrennen gewonnen hatten, ein Problem? "Es gibt kein Problem

für die Athleten", sagt Kim McDonald, der Londoner Manager, der sich

auf den Laufbereich spezialisiert hat und gut 70 Kenianer betreut. Darunter ist

zum Beispiel der dreifache Hindernis-Weltmeister Moses Kiptanui oder der

3000-m-Weltrekordler Daniel Komen. "Es gibt genügend Talente in

Kenia", sagt Kim McDonald, der drei seiner jungen Athleten nennt, die

vielleicht schon im Olympiajahr 2000 ganz nach vorne laufen können:

Benjamin Limo, der Vize-Weltmeister über 5000 m, Sammy Kipketer, der als

17-Jähriger in dieser Saison über 5000 m schon knapp unter 13:00

Minuten blieb, und Noah Ngeny. Der 20-Jährige ist der einzige Kenianer,

der in dieser Saison bisher einen Weltrekord aufstellte. Er lief vor gut einer

Woche in Rieti über 1000 m 2:11,96 Minuten und gewann in eindrucksvoller

Manier in München über 1500 m. Sein Pech ist jedoch, dass er auf den

längeren Mittelstrecken den souveränen Weltrekordler Hicham El

Guerrouj (Marokko) vor sich hat. "Ich glaube aber, 2000 wird mein Jahr

werden. Ich denke, ich kann El Guerrouj schlagen. Dieses Jahr hatte ich noch

eine Menge Probleme mit ihm, aber nächstes Jahr wird er Probleme mit mir

bekommen", sagte Noah Ngeny, und Kim McDonald kündigt an: "Sein

Ziel ist die olympische Goldmedaille über 1500 Meter."

Kein Problem in punkto Talent, aber in anderer Hinsicht sieht Tegla Loroupe.

"In gewisser Hinsicht war die WM tatsächlich eine Enttäuschung

für Kenia. Wir waren es gewöhnt, über 5000 oder 10.000 m zu

siegen. Aber beim Verband darf niemand enttäuscht sein, denn die

Funktionäre geben guten Läufern keine Chance, indem sie sie für

eine Meisterschaft gar nicht nominieren", klagt Tegla Loroupe. Und die

Marathon-Weltbeste (2:20:47 Stunden), die in München über 3000 m

startete und in knapp zwei Wochen in Berlin ihre Marathon-Bestzeit angreifen

will, fragt kritisch: "Die Frauen machen gute Fortschritte. Aber warum

wurde die 5000-m-Siegerin der kenianischen WM-Auscheidung nicht für

Sevilla nominiert?"

Stärker als ihm vielleicht lieb ist, sieht der 10.000-m-Weltmeister und

Weltrekordler Haile Gebrselassie (Äthipien) die Kenianer in der Zukunft.

"Sie haben mit Sicherheit kein Problem. Da wird immer mal ein neuer

Läufer kommen, der auch mich plötzlich einmal schlagen kann",

prophezeite Haile Gebrselassie nach seinem 10.000-m-Sieg in Sevilla. Zehn Tage

nach dieser Aussage gewann der Kenianer Charles Kamathi bei seinem ersten

Rennen in Europa in Brüssel über 10.000 m in der Jahresweltbestzeit

von 26:51,49 Minuten. Und diesen 21-jährigen Kamathi kannte bis dato noch

nicht einmal der Kenia-Spezialist Kim McDonald.