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Sergiy Lebid setzt in Toro eine unglaubliche Cross-Erfolgsgeschichte fort

Artikel des Running News Network - runnn.com

Siebter Titel für den ukrainischen Cross-Spezialisten – Frauensiegerin Marta Dominguez lässt spanische Gastgeber jubeln – Spanien gewinnt Teamwertung bei den Männern und Frauen – Deutsche U20-Junioren holen Bronze


Vor einem Jahr wurde bei den Cross-Europameisterschaften im italienischen San Giorgio su Legnano der britische Champion Mo Farah als Nachfolger des vernichtend geschlagenen Serien-Europameisters Sergiy Lebid schon gefeiert, bei der 14. Auflage der SPAR European Cross Country Championships in Toro in Nordwestspanien kehrte der inzwischen 32jährige Ukrainer mit einer wahren Meisterleistung wieder zurück auf den Thron – und schrieb ein neues Kapitel in seiner unglaublichen Cross-(Erfolgs)Geschichte.


Mit einem starken Finish zerstörte Lebid, der übrigens bei allen vierzehn Austragungen der Cross-Europameisterschaften am Start war, die Hoffnungen des aus Somalia stammenden für Schweden startenden Mustafa Mohamed und vor allem die der Spanier. Denn bis in die Schlussrunde des über 10.700 m führenden Rennens war auch der frühere 10.000 m-Europameister José Manuel Martinez noch in der Spitzengruppe, baute dann aber kräftemäßig noch ab. Die spanische Nationalhymne wurde aber dennoch zum Ende der eindrucksvollen Cross-Europameisterschaften gespielt, denn Gastgeber Spanien gewann mit über 30 Punkten Vorsprung die Mannschaftswertung vor Portugal (64) und Frankreich (75).


Zuvor schon lagen 10.000 Spanier der großartigen Marta Dominguez regelrecht zu Füßen, hatte die 5000 m-Europameisterin nach den bislang medaillenlosen Nachwuchsläufen für Spanien das lange ersehnte Gold auf der 8.200 m langen Distanz gegen die stark laufende Französin Julie Coulaud und ihrer Landsfrau Rosa Maria Morató gewonnen und zugleich den Grundstock für den Teamerfolg gelegt. Auch Deutschlands Nachwuchs durfte jubeln: Im Rennen der U20-Junioren holten Alexander Hahn, Florian Orth, Rico Schwarz und Thorsten Baumeister mit 57 Punkten hinter Frankreich (29) und Groß-Britannien (49) nicht ganz unerwartet Bronze und damit die einzige Medaille für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV).


Perfekt für Lebid und die Spanierinnen


„Der Sieg ist mir nicht so leicht gefallen, wie es ausgesehen haben mag“, kommentierte Sergiy Lebid sein eindrucksvolles Comeback. „Ich vermute, das Rennen war für Außenstehende weitgehend langweilig, weil niemand die Initiative ergreifen wollte. Als das Rennen dann flott wurde, war ich bereit zum Kontern. Die letzten 400 Meter waren Taktik pur!“ Der Ukrainer war natürlich glücklich, mit dieser eindrucksvollen Vorstellung an die europäische Spitze zurückgekehrt zu sein, zumal er Osaka wegen einer Fußverletzung verpasst hatte. Wie gewohnt hatte sich der zeitweise nahe Ferrara lebende Sergiy Lebid im Kaukasus-Höhencamp Kislovodsk vorbereitet und in diesem Herbst überhaupt noch nicht in Erscheinung getreten. Hinter dem neun Sekunden hinter Lebid folgenden Mustafa Mohamed stieß der Portugiese Rui Silva auf den Bronzeplatz vor dem nicht minder überraschenden Schweden Erik Sjöqvist. Erst dann ein restlos enttäuschter Martinez.


„Das ist ein perfektes Ergebnis: Beide Goldmedaillen im Einzeln und in der Mannschaft für Spanien!“ jubelte Marta Dominguez. „Meine Taktik war, hinter meinen Gegnerinnen im Windschatten zu bleiben. Sie haben hart gearbeitet und viel Kraft verloren“. Besser hätte ihre eigene Crosspremiere nicht verlaufen können, denn die nur rund 100 Kilometer entfernt lebende zweifache 5000 m-Europameisterin hatte bislang eher aus Verletzungsgründen auf Crossrennen verzichtet. „Schließlich haben wir ein Heimspiel und die Strecke ist ideal für mich nach meiner Verletzung!“ hatte sie am Vortag über den Beweggrund gesagt, weshalb sie ihre totale Abstinenz in Sachen Crosslauf beendete.


Mit „Grande, Grande, Grande“ hatte der Sprecher den Zieleinlauf seiner Landsfrau euphorisch bejubelt. Zugleich erteilte Marta Dominguez allen Spekulationen über einen möglichen Start bei der Cross-WM in Edinburgh oder gar den Hallen-Weltmeisterschaften in Vallencia eine Absage, denn das erklärte Ziel für Marta Dominguez sind die Olympischen Spiele in Peking. Angesichts der harten Schlussattacke, für die vor allem Martinez’ Landsfrau Rosa Maria Morató verantwortlich zeichnete, verlor einmal mehr die engagiert an der Spitze laufende starke Anikó Kalovics den Kontakt und damit auch die Chance auf eine Medaille. So blieb der im Sommer beim Darmstädter Stadtlauf siegreichen sympathischen Ungarin mit Rang fünf einmal mehr ein Rang jenseits der Medaillenpätze.


Gute Vorstellungen durch Susanne Hahn und Steffen Uliczka


Gute Vorstellungen zeigten die beiden deutschen Einzelstarter Susanne Hahn (SV Schalu-com Saar) und Steffen Uliczka (SG TSV Kronshagen/ Kieler TB) in den stark besetzten Rennen der Aktiven mit den Plätzen 16 bzw. 29. „Endlich habe ich es geschafft“, freute sich Susanne Hahn über Rang 16 und ihrer bislang besten Platzierung bei Welt- und Europameisterschaften. Und dabei lag sie gerade einen Schritt hinter der Titelverteidigerin Tetyana Holovchenko aus der Ukraine, die erst auf den letzten Metern vor der Ziellinie an ihr vorbeispurtete. „Das Tempo war schon hart. Als mich in der zweiten Runde immer wieder Läuferinnen überholten, dachte ich schon, dass es auch in diesem Jahr nichts mit einer guten Platzierung werden würde. Aber das freut mich wirklich!“ Die in Troisdorf lebende 29jährige holte sich in diesem Winter vor allem im belgischen Cross die erforderliche Härte. Vor zwei Wochen kam sie dabei beim Cross in Roeselare hinter der in Toro die U 23-Juniorinnenklasse gewinnenden Ancuta Bobocel in ihrem bislang besten Rennen in der Vorbereitung als Zweite ins Ziel. Dennoch bleibt Cross auch künftig nur Nebenstrecke, denn ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Marathonstrecke, wo sie letztlich auch im Frühjahr ihre Olympiachance wahrnehmen möchte. „Mir fehlt einfach eine schnelle 10.000 m-Zeit, das habe ich gerade auf dem schnellen Parcours heute wieder feststellen können“.


Einen gelungenen Einstand in die Männerklasse gab es für den 23jährigen Steffen Uliczka. Der letztjährige Hindernismeister fiel zwar Mitte des Rennens aus der großen Spitzengruppe zurück, kämpfte aber unverdrossen im Mittelfeld, so dass sich Rang 29 als verdienter Lohn für eine couragierte Leistung sehen lassen kann. „Geiles Rennen! Aber war das eine Quälerei!“ kommentierte Steffen Uliczka sein Abschneiden im Ziel. „Das gesamte Rennen war wie in einem Fahrtspiel. Mit Rückenwind sind alle ein hohes Tempo gelaufen, bei den zum Teil starken Windböen haben alle Stehversuche gemacht. Auch wenn es sehr hart war, muss ich sagen, ich würde es immer wieder machen. Ein tolles Erlebnis!“.



Wechselbad der Gefühle beim DLV-Nachwuchs


„Der Medaillengewinn überragt natürlich alles“, freute sich Bundestrainer Detlef Uhlemann in seiner Bilanz nach den eindrucksvollen 14. Cross-Europameisterschaften, die mit 10.000 Zuschauern eine stimmungsvolle Kulisse abgaben. „Neben den guten Einzelplatzierungen durch Susanne Hahn, Mia Glocker, Steffen Uliczka und Zelalem Martel hat mich vor allem der kompakte Einlauf der U20-Junioren überrascht, was letztlich auch den Ausschlag für die Bronzemedaille gegeben hat!“


Denn eine tolle Schlussoffensive bescherte dem DLV auf dem idealen Parkgelände Monte La Reina in Toro im Nordwesten Spaniens schon im zweiten Rennen der Veranstaltung die erhoffte Medaille. Im Wettbewerb der Junioren über 6 700 m kamen Alexander Hahn (11.), Florian Orth (13.), Rico Schwarz (14.) und Thorsten Baumeister mit 57 Punkten hinter Frankreich (29) und Groß-Britannien (49) auf Rang drei. „Die Jungs haben richtig Spaß gemacht!“ freute sich auch DLV-Nachwuchstrainer Werner Grommisch. „Aber dieses Niveau mussten unsere Läufer schon haben, sonst wäre es nichts mit der Medaille geworden!“ Es war natürlich ein völlig anderes Rennen als bei der Cross-WM in Mombasa, als die deutschen Junioren als Zwölfter bestes europäisches Team wurden. „Heute haben wir gemerkt, dass die Franzosen und die Briten noch einiges in der Hinterhand hatten….“. Und schon blickt Grommisch in Richtung 2008, denn da weiß er mit Alexander Hahn, Florian Orth und dem nicht in die Wertung laufenden Robert Krebs (39.) gleich drei der Leistungsträger noch im Team, während die anderen aus Altersgründen in die U23 aufrücken müssen.


In beeindruckender Art setzten sich die beiden Franzosen Mourad Amdouni und Flirian Carvalho in 20:08 und 20:11 Minuten gegen den ukrainischen 10.000 m-Euroapmeister Dmytro Lashyn (20:16) durch und ebneten damit Frankreich den Weg zu Mannschaftsgold. Für das beste deutsche Einzelresultat sorgte Alexander Hahn (TSV Bayer Leverkusen) als Elfter in 30:34 Minuten. Aber der Vorjahressiebter war mit seinem Abschneiden keineswegs zufrieden: „Ich hatte wieder Seitenstiche. Das hat mir einige Plätze gekostet!“. Dafür machten mit einer starken Schlussrunde vor allem Rico Schwarz (ASV Erfurt), Florian Orth (ESV Jahn Treysa) und Thorsten Baumeister (PTSV Trier) noch die notwendigen Plätze für Bronze wett, denn noch eingangs der letzten Runde lag die Türkei noch zwei Punkte voraus.


Mit Stephanie Twell scheint Groß-Britannien eine neue Paula Radcliffe zu haben. Die 18jährige verteidigte als Frontläuferin wie einst ihr großes Vorbild den in San Giorgio su Legnano gewonnenen U20-Titel nach Belieben und legte damit nicht nur den Grundstock für den Mannschaftserfolg und ihr Land, das mit vier Goldmedaillen vor Spanien erfolgreichste Nation bei diesen 14. Cross-Titelkämpfen war.


Gut schlugen sich bei den U23-Junioren Zelalem Martel (LG Neckar-Enz) und der bei der EM-Qualifikation in Darmstadt siegreiche Christian Stanger (LG Leinfelden-Echterdingen) auf den Plätzen 11 und 24. „Klasse Ergebnis. Am Schluss fehlte mir allerdings etwas die Kraft, sonst wäre es noch besser gewesen!“ zeigte sich Zelalem Martel sichtlich zufrieden. „Es ist fatal, wenn du einmal einen kleinen Durchhänger hast - und schon ist das Feld weg. Das hat mich einige Plätze gekostet!“ gesteht Christian Stanger im Ziel ein.


Dennoch ist auch er sichtlich zufrieden. Die U23-Mannschaft erreichte allerdings nur Rang zehn, reihte sich aber in die eher bescheidene Ausbeute der Mädchen der U23 und U20 ein, die sich beide als Elfte am Ende der Konkurrenz wieder fanden. Während vor allem Julia Viellehner (TSV Winhöring) nach ihrer starken Vorstellung beim Darmstadt-Cross als 61. (und Vorletzte) diesmal „völlig von der Rolle“ schien, imponierte die 17jährige Mia Glocker (LAV ASICS Tübingen) nach ihrem Gewinn der EM-Qualifikation in Darmstadt nun in Toro als Achtzehnte im großen Feld der Jüngsten.



WM-Start der Junioren offen


Bundestrainer Uhlemann verhehlt natürlich nicht die Schwächen im großen DLV-Aufgebot. „Aber wo Licht ist, ist auch Schatten! Dies trifft vor allem auf die Mädchen beider Altersklassen zu. Wir sollten uns hier nicht abschrecken lassen. Deshalb bin ich dennoch dafür, dass wir bei diesen Meisterschaften im Nachwuchsbereich mit kompletten Teams antreten müssen!“ Bei den Männern und Frauen möchte man beim DLV auch künftig es mit dem System Einzelstarter weiter versuchen. „Entscheidend ist natürlich, dass sich überhaupt Athleten anbieten!“


Ob der Start der Junioren bei der Cross-WM in Mombasa eine Eintagsfliege bleiben wird, das wollten die für den Nachwuchsbereich zuständigen Bundestrainer Lutz Zauber und Werner Grommisch allerdings offen lassen. „Schließlich könnten wir uns schon einen Start von Mia Glocker und der U20-Junioren gut vorstellen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie sich gezielt auf die Cross-WM vorbereiten!“ so die beiden DLV-Trainer unisono.


Wilfried Raatz