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Wo Rekorde fallen, muss die Strecke stimmen

Das Messgerät zur Vermessung von Straßenlaufstrecken heißt

Jones Counter, wurde zu Beginn der siebziger Jahre von einem amerikanischen

Läufer erfunden und wird am Vorderrad eines Fahrrades angebracht. Das Rad

wird bei einem festgelegten Reifendruck auf einer Eichstrecke (mit

Stahlmessband oder Lasermessgerät abgemessener Kilometer) geeicht.

Vermessen wird die am Wettkampftag zu belaufende Strecke auf der kürzest

möglichen Linie, wobei in Kurven ein 30 Zentimeter langer Abstand zur

Bordsteinkante eingehalten wird. Die vermessene Strecke wird mit einer blauen

Linie markiert. Diese blaue Linie wurde in New York erfunden und war

zunächst mehr ein PR Gag, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit

auf das kommende Ereignis zu lenken, als eine Hilfslinie für

orientierungslose Läufer an der Spitze des Feldes.

"10" />Um eine ungestörte und exakte Vermessung zu ermöglichen, wird

meist frühmorgens und unter Polizeischutz vermessen, denn die eine oder

andere Streckenpassage führt durch Gegenverkehr bzw. in Gegenrichtung

einer Einbahnstraße.

Die berühmten "Ecken-Schnippler"

Fast das wichtigste Kriterium bei der exakten Vermessung einer

Straßenlaufstrecke ist, dass die Läufer am Tag des Rennens auch

tatsächlich auf der vermessenen Strecke laufen. Das bedeutet, dass in

Kurven mit Bürgersteigen der Fahrbahnrand mit Gittern oder Flatterband

abgesperrt sein muss, damit die Läufer keine Ecken abschneiden, was in der

Summe zu einer erklecklichen Streckenverkürzung führen kann, die auf

die Gesamtstrecke bezogen 200 oder 300 Meter und mehr betragen kann. Wichtig

ist dies in erster Linie für das Feld der Eliteläuferinnen und

-läufer, wo es um Preisgeld geht und auch darum, dass sich niemand einen

unfairen Vorteil verschafft.

Wer sich auskennt und genau hinsieht, wird beim ein oder anderen Marathon

feststellen, dass die Absperrungen nicht immer den geforderten Kriterien

entsprechen. Um sicher zu gehen, dass die vermessene Strecke nicht zu kurz ist,

wird bei der Vermessung pro Kilometer ein Meter dazu gegeben, was bei einem

Marathon einem Sicherheitspolster von 42 Metern entspricht.

Erst seit Mitte der achtziger Jahre

Straßenlaufstrecken werden seit Mitte der achtziger Jahre nach Regeln

vermessen, welche die Interessenvertretung der internationalen

Marathon-Veranstalter (AIMS) festlegte und die der Internationale

Leichtathletik-Verband IAAF bzw. die nationalen Verbände, darunter auch

der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) einige Jahre später

übernahmen.

Eine wichtige Rolle beim bzw. für das Zustandekommen von einheitlichen

Vermessungsregeln spielten einerseits amerikanische Statistiker (Ken Young,

Peter Riegel), denen es darum ging, ihre Statistiken vergleichbar zu gestalten.

Eine zweite Rolle spielte das damals aufkommende Preisgeld bei

Straßenläufen, weswegen sich Veranstalter interessiert zeigten,

einheitlich vermessene Strecken zu präsentieren, damit Rekordprämien

ihren Sinn behielten.

Die AIMS-Vermessungs-Seminare

Die Organisation AIMS begann 1985 damit, Vermesser auszubilden. Das erste

Seminar, bei dem Zertifikate an solche zukünftigen Vermesser verteilt

wurden, fand 1985 in Frankfurt statt(1990 dann auch in Berlin - Anm. der

Internet-Redaktion). Zu den Absolventen zählte John Disley, zusammen mit

Chris Brasher Gründer des London-Marathons, Helge Ibert, der damals zum

Team des BERLIN-MARATHON zählte, und Dieter Damm, der heute noch

Straßenlaufstrecken vermisst und neue Vermesser ausbildet. Aus solchen

AIMS-Vermessern wurden später IAAF- bzw. DLV-Vermesser, und wenn man AIMS

als Organisation einen Hauptverdienst zuerkennen will, dann ist es diese

Vorreiterrolle in Sachen Streckenvermessung.

Jetzt auch Rekorde bei den Straßenläufen

Mittlerweile (seit diesem Jahr) ist die IAAF sogar dazu übergegangen,

für Straßenlauf-Leistungen den Begriff "Rekord"

anzuerkennen - zu gestelzt kam der Begriff "Weltbestzeit" daher. Eine

überfällige Entscheidung, ließ sich doch die angebliche

Sinnhaftigkeit dieser Bedeutungsspaltung (Rekord versus Bestzeit) niemandem

mehr plausibel vermitteln.

Hintergrund war einmal der Gedanke, dass sich Leistungen außerhalb des

Stadion-Ovals nicht miteinander vergleichen ließen. Davon ist man zum

Glück abgekommen, denn auch innerhalb des Stadions sind die Bedingungen

keineswegs für alle gleich bzw. vergleichbar.

Diverse Meßmethoden

In der grauen Vorzeit solch genauer Messmethoden wurden Marathonstrecken mit

Mess-Schieberädern vermessen, manchmal auch mit dem Auto. In Japan wurde

sogar manchmal mit dem Stahlmessband vermessen.

So gesehen sind alle Strecken vor Mitte der achtziger Jahre mit Vorsicht zu

genießen, was ihre Vergleichbarkeit mit heutigen Strecken angeht. Beweise

dafür, dass eine Strecke wie die von Antwerpen, auf der der Australier

Derek Clayton 1969 Weltrekord lief (2:08:34) zu kurz waren, gibt es allerdings

nicht, und wer dem Australier zuhört, wenn er sein damaliges Rennen

schildert, will ihm glauben, denn die gemessenen Zwischenzeiten muten nicht

gerade außerirdisch an. Außerdem hatte er auch noch andere

Resultate anzubieten, die einen realistischen Vergleich ermöglichen.

New York City ist anders

Nachdem die Straßenlaufstrecken mit Hilfe dieser Messmethode genauer

unter die Lupe genommen waren, stellte sich 1984 im Zuge einer Vermessung

heraus, dass die Strecke des New-York-Marathons 1981 zu kurz war. 135 Meter

fehlten zur vollen Distanz, legte man die neue Meßmethode zugrunde. Der

1981 in New York gelaufene Weltrekord (damals hieß es noch

"Weltbestzeit") von Alberto Salazar (2:08:13) wurde aus den

Rekordlisten gestrichen. Die New Yorker erkannten dies nie an und setzten ihre

Prämie für einen Streckenrekord weiterhin an dieser Marke fest, bis

sie fiel. "Wir praktizierten 1981 die zu jener Zeit üblichen

Meßmethoden wie andere auch", meinte Allan Steinfeld, damals

technischer Direktor, heute Chef des bedeutendsten Marathons der Welt.

von Thomas Steffens

Chefredakteur RUNNERS WORLD

www.runnersworld.com

PS der Internetredaktion:

John Disley (London) und Hugh Jones (London/ Generalsekretär der AIMS)

sind in Berlin als Course-Measurer und Controller extra dabei.

Die Berliner Strecke ist vermessen worden von Siegfried Menzel (Berlin) und

John Kunkeler (Berlin) - beides IAAF/AIMS A-, bzw. B-grade measurer.