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António Pinto sorgt für den "Big Bang" am Big Ben

Nach 2:20:43 Stunden war Tegla Loroupe kurz vor dem Big Ben und hatte noch

über einen Kiometer zu laufen. Damit war klar, dass der von ihr avisierte

"Big Bang" beim London-Marathon ausblieb. Denn mit jenen 2:20:43

Stunden hatte die Kenianerin, die in Detmold bei ihrem Manager Volker Wagner

lebt und inzwischen für die LG Nike Berlin startet, im vergangenen

September beim Berlin-Marathon eine Weltbestzeit aufgestellt. Der in London das

Rennen beobachtende Berliner Cheforganisator Horst Milde konnte aufatmen, denn

sein Lauf bleibt im Besitz der Bestzeit. Trotzdem zeigte die 26-jährige

Tegla Loroupe einmal mehr eine Weltklasseleistung. Souverän gewann sie ein

Rennen in erstklassigen 2:24:33 Stunden gegen eine Konkurrenz, die wohl nur bei

den Olympischen Spielen noch etwas stärker sein dürfte. Einen

Paukenschlag gab es jedoch beim Männerrennen. António Pinto gewann

bei seinem sechsten Start in London bereits zum dritten Mal nach 1992 und

'97. Und dabei stellte der Portugiese gestern die afrikanischen

Weltklasseläufer in den Schatten und eine neue europäische Bestzeit

auf. Der 34-Jährige siegte in 2:06:36 Stunden und verbesserte damit die 15

Jahre alte Marke seines Landsmannes Carlos Lopes, der in Rotterdam 2:07:12

gelaufen war. Für die fünftschnellste Zeit aller Zeiten erhielt der

Berlin-Marathon-Sieger von 1994 eine Prämie von 130.000 Dollar.

Mit genau der Hälfte der Prämie von António Pinto musste

sich Tegla Loroupe zufrieden geben, was Volker Wagner mächtig wurmte:

"Sie hat rund 150.000 Dollar verschenkt", ärgerte sich der

Manager im ersten Augenblick. Allerdings erklärte die zierliche

Kenianerin, die nach New York, Rotterdam und Berlin einen weiteren

Marathon-Klassiker gewann, warum sie ihre gute Form nicht in eine deutlich

schnellere Zeit umsetzen konnte: "Ich hatte in den letzten Tagen ein

leichtes Problem in der linken Hüfte, deswegen hatte ich Angst, dass

während des Rennens etwas passieren könnte." Davon hatte Loroupe

jedoch in London vorher niemandem etwas gesagt, nicht einmal ihrer Freundin

Joyce Chepchumba, die auf Rang drei einlief. Rund zwei Millionen Dollar an

Startgeldern haben die Londoner Organisatoren in ihr Weltklassefeld investiert

- das ist mehr, als der gesamte Etat des Berlin-Marathons. "Der

London-Marathon", sagt António Pinto, "ist wie eine

Generalprobe für die Olympischen Spiele. Deswegen wollte ich hier starten

und gewinnen."

Eine rund 25 Läufer starke Gruppe mit allen Favoriten hatte die ersten

10 km nach 30:13 Minuten absolviert. Zuvor hatte der Vorjahressieger Abdelkader

El Mouaziz (Marokko) mit dem Pacemaker Andres Espinosa (Mexiko) gesprochen und

ihn um ein höheres Tempo gebeten - jedoch ohne Erfolg. "Eine gute

Zeit war mein Ziel", erklärte der schließlich persönliche

Bestzeit laufende, zweitplatzierte El Mouaziz hinterher. Nach 63:52 Minuten war

die erste Hälfte gelaufen und die Gruppe von 15 Läufern begann, sich

auseinanderzuziehen. António Pinto, der einzige weiße Läufer

in der Spitze, bestimmte fortan das Tempo. "Etwa bei Kilometer 28

spürte ich, dass ich weglaufen kann", erzählte der Portugiese

später. Pinto machte Druck, die Gruppe wurde kleiner und bei Kilometer 30

(1:30:36 Stunden) konnte nur noch El Mouaziz mühsam dem Tempo folgen. Vier

Sekunden zurück liefen William Kiplagat (Kenia) und Mathias Ntawulikura

(Burundi), bereits sieben Sekunden Rückstand hatte Khalid Khannouchi

(Marokko), der mit 2:05:42 Stunden die Weltbestzeit hält, und zehn

Sekunden zurück rannte Olympiasieger Josiah Thugwane (Südafrika).

"Nach 15 Meilen fühlte ich mich kalt und konnte dem Antritt Pintos

nicht folgen. Aber das ist eben so im Marathon - man kann einen guten oder

einen schlechten Tag haben", sagte Khalid Khannouchi, der letztlich aber

zufrieden war mit seinem dritten Rang in 2:08:36. "Immerhin lag ich

zwischenzeitlich sogar auf Position acht und bin dann noch auf Platz drei nach

vorne gelaufen." Rund zehn Kilometer vor dem Ziel war zu sehen, dass

António Pinto kaum noch zu schlagen war. Mit einer zweiten Hälfte

von unter 63 Minuten stürmte der Portugiese zur europäischen

Bestzeit.

Im Gegensatz zu den Männern liefen die Frauen ein sehr

ungleichmäßiges Rennen. Dies lag vor allen Dingen daran, dass die

große Gruppe der Favoritinnen das Tempo der Pacemaker nicht annahm.

Manager Volker Wagner, der mit der Vorjahressiegerin Joyce Chepchumba und der

Weltbesten Tegla Loroupe die beiden großen Favoritinnen stellte, hatte

selbst zwei Tempomacherinnen mitgebracht: Pamela Kimaiyo (Kenia) und Nastja

Wijnberg (Holland) sollten die erste Hälfte in 71 Minuten laufen.

Entsprechend liefen sie los, doch niemand folgte dem Duo. Trotz der

mäßigen Zwischenzeit von 34:52 Minuten war der Abstand zur

Spitzengruppe an der 10-km-Marke beträchtlich. Erst 48 Sekunden

später hatte die 18-köpfige Gruppe der Favoritinnen diesen Punkt

erreicht. "Wir sind nicht den Tempomacherinnen gefolgt, weil es ein

taktisches Rennen war. Ich habe mich nicht an ihnen orientiert sondern an

meinen Konkurrentinnen", sagte Joyce Chepchumba später.

Erst kurz vor der Hälfte des Rennens - dieser Punkt war dann nach

1:14:19 Minuten erreicht - hatte die Hauptgruppe die beiden Tempomacherinnen

eingeholt. Vor allen Dingen die am Ende fünftplatzierte Australierin

Kerryn McCann bemühte sich in dieser Phase des Rennens um das Tempo und

zog dadurch die Spitzengruppe auseinander. Lidia Simon (Rumänien) und

Tegla Loroupe folgten McCann, mit ein paar Metern Abstand lief Joyce

Chepchumba. Doch eine Entscheidung fiel zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Bei

Kilometer 30 liefen auch noch die New-York-Marathon-Siegerin Adriana Fernandez

(Mexiko), die 10.000-m-Olympiasiegerin von 1992, Derartu Tulu (Äthiopien),

Maria Guida (Italien), Ljubow Morgunowa (Russland) und Manuela Machado

(Portugal) in der Spitzengruppe. Ausgestiegen war kurz zuvor die

Debütantin Fernanda Ribeiro (Portugal), die sich unwohl fühlte. Doch

nun übernahm Tegla Loroupe die Initiative, und schnell fiel die Gruppe

auseinander. Nur Lidia Simon konnte zunächst noch folgen, Joyce Chepchumba

lag schnell einige Meter zurück. Später erklärte Tegla Loroupe,

die nach New York, Rotterdam und Berlin einen weiteren Marathon-Klassiker

gewann, dann mit dem Hüftproblem, warum sie ihre gute Form nicht durch

einen früheren Antritt in eine deutlich schnellere Zeit umsetzte.

Doch der London-Marathon bietet nicht nur Weltklasseresultate, sondern

ebenso wie das Rennen in Berlin das perfekte Zusammenspiel von Spitzen- und

Breitensport. Von den 99.000 Läufern, die sich um eine Startnummer

beworben hatte, waren schließlich 32.620 dabei. Die Rekordzahl von 31.342

Läufern wurde bis 17 Uhr im Ziel registriert. Trotz der enormen Nachfrage

können die Organisatoren das Feld kaum vergrößern. "Das

Problem ist der Zielbereich am Buckingham Palast", erklärte

Cheforganisator Alan Storey. Die Verwalter des königlichen St. James's

Park haben Angst um ihr Gelände. Und die einzelnen Londoner Bezirke

fürchten ein noch größeres Verkehrschaos. Dennoch sorgt der

größte europäische Marathonlauf für immer neue Rekorde.

Die meisten der über 30.000 Läufer rennen für einen guten Zweck.

Von Freunden und Kollegen lassen sie sich ihre persönliche Leistung mit

Spenden honorieren. Die Organisatoren des London-Marathons, die als

gemeinnützige Veranstalter sämtlichen Profit spenden, hoffen auf

diese Weise erstmals die 20-Millionen-Pfund-Marke übertreffen zu

können. Das entspricht rund 65 Millionen Mark. Doch das Millionenpublikum

an der Strecke konnte auch noch für einen anderen Zweck Geld ausgeben,

denn für die Zuschauer gab es ein besonderes "Laufangebot". Die

Veranstalter schlugen ihnen einen Pub-Marathon entlang der Strecke vor: 76

Kneipen wurden auf den 42,195 Kilometern gezählt.

Ergebnisse:

Männer: 1. Pinto (Por) 2:06:36 (ER), 2. El Mouaziz (Mar) 2:07:33, 3.

Khannouchi (Mar) 2:08:36, 4. Kiplagat (Ken) 2:09:06, 5. Ramaala (RSA) 2:09:43,

6. Baldini (Ita) 2:09:45, 7. Ntawulikura (Bur) 2:09:55, 8. Thugwane (RSA)

2:10:29, 9. Nazipow (Rus) 2:10:35, 10. Goffi (Ita) 2:10:54, 11. Steinle (Gbr)

2:11:18, 12. Thys (RSA) 2:11:32, 13. Kororia (Ken) 2:12:28, 14. Ndayisenga

(Bur) 2:13:28, 15. Cullen (Gbr) 2:13:37, 16. Mutai (Ken) 2:14:55, 17. Lewis

(Irl) 2:15:07, 18. Mark Hudspith (Gbr) 2:15:16, 19. Jimenez (Mex) 2:15:37, 20.

Burns (Gbr) 2:15:42, 21. Alejandro Gomez (Esp) 2:15:48, 22. Creasdale (Gbr)

2:16:02, 23. Magala (RSA) 2:17:00, 24. Rhodri Jones (Gbr) 2:18:34, 25. Ian

Hudspith (Gbr) 2:18:40, 26. Cullen (Gbr) 2:18:42, 27. Shepherd (Gbr) 2:19:29,

28. Thackery (Gbr) 2:19:57, 29. Claeys (Bel) 2:19:59, 30. O'Callaghan (Irl)

2:20:15, 31. Garcia (Uru) 2:20:16, 32. Fisher (Gbr) 2:20:26, 33. Pride (Gbr)

2:21:00, 34. Mason (Gbr) 2:21:10, 35. Reid (Gbr) 2:21:15.

Zwischenzeiten: 10 km - 30:13, 20 km - 1:00:28, Hälfte - 1:03:52, 30 km

- 1:30:36, 40 km - 2:00:03.

Frauen: 1. Loroupe (Ken) 2:24:33, 2. Simon (Rom) 2:24:46, 3. Chepchumba

(Ken) 2:24:57, 4. Fernandez (Mex) 2:25:42, 5. McCann (Aus) 2:25:59, 6. Tulu

(Eth) 2:26:09, 7. Guida (Ita) 2:26:12, 8. Morgunowa (Rus) 2:26:33, 9. Machado

(Por) 2:26:41, 10. Schakarowa (Rus) 2:28:11, 11. Semenowa (Rus) 2:28:46, 12.

Pong Sil (Kor) 2:29:08, 13. Kiplagat (Ken) 2:30:30, 14. Burangulowa (Rus)

2:31:14, 15. Irineu (Bra) 2:35:11, 16. Trampuz (Aus) 2:36:32, 17. Chang Ok

(Kor) 2:36:39, 18. Jardon (Mex) 2:37:05, 19. Duffy (Irl) 2:38:30, 20. Mcdougal

(Gbr) 2:38:32, 21. Wyeth (Gbr) 2:39:01, 22. Thomson (Gbr) 2:40:39, 23. Lodge

(Gbr) 2:40:51, 24. Jioner (Gbr) 2:44:07, 25. Newcombe (Gbr) 2:46:16.

Zwischenzeiten: 10 km - 34:52, 20 km - 1:10:24, Hälfte - 1:14:19, 30 km

- 1:44:37, 40 km - 2:17:20.