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Mockenhaupt gegen Mikitenko, ein freundschaftliches Duell

Wo steht der deutsche Langstreckenlauf? Im Jahr eins nach Baumann zauderten und

zögerten Baumanns Erben nahezu die gesamten 25 Runden lang, so dass

letztlich sogar die Gefahr bestand, dass der nationale Titel knapp um die

30-Minuten-Marke vergeben werden müsse. Gestandene Männer

überließen lange Zeit dem späteren Juniorenmeister Stefan Koch

zumeist die Initiative, eher halbherzige Versuche des lange verletzten

Alexander Lubina brachten das 10 000 m-Feld ebenso wenig in Schwung, so dass

selbst Marathonmann Carsten Eich als Zaungast den Kopf schüttelte

über das geringe Engagement seiner Laufkollegen.

Der Sieger hat stets recht und dieser heißt Oliver Dietz und ist

längst gedanklich auf dem Sprung zur Straße. Über die

Halbmarathon-WM möchte der 26jährige vielleicht schon in dieser

Saison beim Marathon landen. Das könnte einer werden, der für

Belebung im erstarrten Männerbereich der Eich, Freigang und Co. sorgen

kann. Der vor allem auch den nötigen Schneid mitbringt und

Tempoinitiativen starten kann. „Die Unterdistanz ist für meine

weitere Entwicklung wichtig“ ordnet der Unterfranke im Dress der LG

Braunschweig auch seine Leistung ein. Mit Junior Koch blieben insgesamt acht

Männer unter der 30-Minuten-Marke, ein Armutszeugnis für den

Laufbereich. Sarkasmus pur würde bedeuten, wenn man die letztjährigen

Ergebnisse im Nieselregen des Dantestadions als Vergleich heranführt, als

es gerade einmal vier Athleten unter dreißig Minuten gab. Aber auch jene

28:28,47 des deutschen Vorläufers Dieter Baumann. Aber diese Zeiten

sollten auf nicht absehbare Zeit der Vergangenheit angehören.

Erfrischend hingegen mutet da schon die Konstellation bei den Frauen an. Das

Duell Sabrina Mockenhaupt gegen Irina Mikitenko sorgt für ein

Leistungshoch, das gutes internationales Niveau bedeutet. Nicht mehr und nicht

weniger. Weiterreichende Erwartungen knüpfen zu wollen, wäre wenig

angemessen. Die Siegerländerin ist bereits mehrfach an ihren Nerven

gescheitert, siehe Paris oder die European Challenge-Auftritte in Barakaldo

oder Athen. Und Irina Mikitenko dürfte trotz ihrer zahlreichen Erfolge auf

internationalem Parkett nach überstandener Verletzung eher Mühe

haben, der kompakten Weltspitze im Olympischen 10 000 m-Lauf Paroli zu bieten.

Mockenhaupt gegen Mikitenko, das hat aber zweifellos etwas prickelndes. Hier

die kleine, ungestüme Powerfrau, die sich prächtig vermarkten

lässt und schon einmal ein Fotoshooting geregeltem Training vorzieht. Und

in Borna mit zwei lustigen Zöpfen auftrat und ihr Markenzeichen

„Mocki“ auf die Laufhose aufbügeln ließ. Dort Irina, die

gebürtige Kasachin mit einem eher entschlossenen, kampfbetonten Auftreten

und merklicher Zurückhaltung. Angetreten übrigens mit

türkisfarbenen Magnetstreifen entlang der Laufmuskulatur, zur schnelleren

Regeneration der geplagten Beinmuskeln. Zwei Charaktere, die unterschiedlicher

kaum sein können.

Und doch miteinander können. „Früher habe ich immer gedacht,

dass zwei Frauen nicht miteinander auskommen können, wenn sie

Konkurrentinnen sind. Nach Flagstaff muss ich diese Auffassung

korrigieren“, gestand Irina Mikitenko. „Wir haben die meisten

Trainingseinheiten gemeinsam gelaufen und uns auch privat sehr gut

verstanden“. Da Mockenhaupt in Walnut vorlegte („Die Zeit hat mich

völlig überrascht!“), musste Mikitenko in Borna zweifellos

kontern. Sie tat es forsch, vielleicht anfangs etwas ungestüm. „Ich

bin zum Teil etwas orientierungslos gelaufen, denn die Digitaluhr im Ziel war

ausgefallen. Bei einer DM darf das eigentlich nicht sein!“ Sie steht mit

der Vizemeisterschaft und mit ihren 32:04,86 keineswegs mit leeren Händen

da, weiss aber eines: „Sabrina war heute stärker. Ich muss besser

trainieren, um wieder gleichziehen zu können!“ Wilfried Raatz